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Sagen & Legenden

 

Das Rad im Mainzer Wappen

Erzbischof Willegis von Mainz war ein gelehrter und frommer Mann und von Herzen demütig. Er war aber von niederer und geringer Herkunft; sein Vater war ein armer Rademacher. Das machte ihm Neid bei den adeligen Domherren; die malten ihm heimlich Räder an die Türen und Wände seines Bischofshofes und spotteten: "Das ist unsers Bischofs Ahnenwappen." Willegis aber, der fromme Mann, nahm sich des mit nichten als eines Spottes an. Er lies über seiner Bettstatt ein hölzernes Pflugrad aufhängen und in seine Gemächer weiße Räder in rote Wappenfelder malen und dazu einen Reim setzen, der lautete:

"Willegis, Willegis, Denk, woher Du kommen bis!"

Und nachher haben dem frommen Willegis zum Gedächtnis alle nach ihm kommenden Erzbischöfe dieses Rad als Wappenzeichen beibehalten, und Stadt und Bistum Mainz haben es angenommen bis auf den heutigen Tag.

aus "Rheinlands Heldensage", Georg Fischer Verlag, Wittlich, 1930

 

 

 

 

Der Habsburger und die Bäckersfrau

Als König Rudolf zum Schutze seiner Länder an den Rhein kam, schlug er mitten im Winter sein Lager vor den Toren des goldenen Mainz auf. Einmal ging er, noch ehe der Tag völlig erwacht war, im schlichten Reitermantel durch die engen Gassen der Bischofsstadt. Im Bäckerviertel wehte ihm aus einer offenen Haustür köstlich warmer Duft von frischem Brot entgegen. Rasch entschlossen trat er ein, und schon mit wenigen Schritten gelangte er in die Backstube. Hier hantierte eine rundliche Frau mit Putztuch und Besen, um Backmulde und Tisch zu säubern. Sowie sie den langen Reiter mit der echten Habsburger Nase sah, der sich nach kurzem Gruß keck und breitbeinig vor den Ofen gestellt hatte, geriet sie in hitzigen Zorn und schrie: "Nicht einmal im eigenen Hause ist man sicher vor dem Bettelvolk des Kaisers!" Und als der Unbekannte dann sagte: "Wären nicht des Kaisers Reiter, die das Land schützen, dann würde manchem feisten Mainzer Bürger und auch einer gewissen Bäckersfrau der Speck vergehen", da riß sich die wütende den Putzeimer empor und goss die schmutzige Brühe unter Beigabe der kräftigsten Ehrentitel dem Reiter über den Kopf. Rudolf schüttelte sich wie ein nasser Hund und schritt lachend, aber doch in Eile, durch die Tür, während das Weib noch weiter hinter ihm her zeterte.

Am Nachmittag des gleichen Tages ging die Klingel an der Tür des Bäckerladens, und herein trat ein schlanker Bursche in schmucker Tracht, der eine Kanne auf den Tisch stellte und die Bäckersfrau aufforderte, sie auf das Wohl jenes Reiters, der sich am frühen Morgen so schön in der Backstube gewärmt, zu leeren. Wie die rundliche die kostbare Kanne besah, geriet sie in Angst und Schrecken; gewiß war der Spender solch reicher Gabe ein großmächtiger Herr. So rasch es ihr Gewicht zuließ, rannte sie dem Burschen nach und kam so ins Heerlager und bis vor des Königs Zelt. Hier lief sie an der verdutzten Schildwache vorbei, schlug den Vorhang zurück und drang mitten in die Tischrunde Rudolfs ein. Sogleich erkannte sie den Reiter wieder, den sie so übel behandelt hatte, fiel auf die Knie nieder, jammerte und flehte um Gnade.

Der wohlgelaunte Rudolf hieß sie aufstehen und befahl ihr, dem Spektakel ein Ende zu machen und den versammelten Herren zu erzählen, was sie schon so früh am Tage in Zorn gebracht habe. Schneller, als man denken sollte, war sie auf den Füßen und berichtete mit flinker Zunge das Erlebnis des Morgens so anschaulich, daß alsbald lautes Gelächter das Zelt erfüllte.

Nach einer strengen Verwarnung entließ Rudolf die Zornmütige, die in Zukunft nicht müde wurde, Gevattern und Kunden immer wieder mit Stolz ihr großes Abenteure zu erzählen.

aus "Rheinlands Heldensage", Georg Fischer Verlag, Wittlich, 1930

 

Der arme Spielmann

An einem bitterkalten Wintertage trat ein alter Mann mit weißem Haar in ein kleines Kapellchen am Rhein. Er hielt eine Geige mitsamt dem Bogen unter den Arm gepreßt; die eiskalten Finger suchten sich in den Taschen des zerschlissenen Rockes zu wärmen. Tränen rannen dem Alten über die eingefallenen Wangen; hatte er doch weder ein Obdach, seine müden Glieder zu betten, noch Speise und Trank. Niemand mehr mochte die alten Weißen seiner Geige hören; nur selten öffnete sich ein Beutel, aus dem ein Glücklicher ihm eine bescheidene Gabe hinwarf.

Lange saß der Alte da in stummem Weinen, zitternd vor Kälte, unablässig das ehrwürdige Bild der Gottesmutter betrachtend, das reich geschmückt auf dem Altare stand. Das schien es ihm, Maria lächle ihn gar freundlich an. Dankbaren Herzens ergriff er die Geige, spielte, daß aller Kummer seines armen Lebens aufschluchzte, und ließ seine Töne verklingen in ein Kinderlied zu der Hohen Ehre.

Wie er nun getröstet aufstand, da warf die Heilige ihm einen ihrer goldenen Schuhe zu. Über die Maßen verwundert, hob er mit innigem Dank die kostbare Gabe auf. Von Herzen freute er sich; denn er dachte, nun habe seine Not ein Ende. Zum Goldschmied trug er den Schuh; doch der wollte ihn nicht nehmen. Der Erzählung des Alten über sein wundersames Erlebnis schenkte er keinen Glauben; nur ein Dieb, meinte er, könne das Heiligtum beraubt haben, und für den stehe der Galgen schon bereit.

Illustration von Franz Graf Pocci zu " Der arme Spielmann" (um 1835 ; Zeichnung im Stil mittelalterlicher Holzschnitte)

Da man den Geiger zur Richtstätte führte, kam der traurige Zug an der Marienkapelle vorbei. Mit Tränen bat der Arme, noch einmal vor das Bild der Gottesmutter hintrten zu dürfen. Das wurde ihm als letzte Gnade nicht verwehrt.

Wieder klingt und singt des Alten Geige zum Preis der hohen Frau. Und siehe, da wirft die Gütige ihm auch ihren zweiten Goldschuh vom Altare. Zur selben Stunde schon schenkten die Richter dem Gefangenen, dessen Unschuld jetzt sonnenklar vor aller Augen stand, die Freiheit wieder.

aus "Rheinlands Heldensage", Georg Fischer Verlag, Wittlich, 1930

 

 

Die Bäckerjahnin

In der Zeit des großen Krieges lief einaml in Mainz das Gerücht um, der Schwed komme. Nicht wenig Angst und Schrecken überfiel da jedermann. Wer Gold und Silber und andere Kostbarkeiten hatte, schaffte sie fort. Aber der Schwed, der für solche Dinge eine feine Nase hatte, wußte sie meist doch zu finden.

Die Bäckerjahnin, die gar stattlich Gut hinter sich gebracht, wußte Rat. In einen zerlumpten Bettelrock nähte sie ihren ganzen Schatz ein. So rannte sie in Angst und Sorge fort, ja den Schweden zu entgehen, auf Weisenau zu. Doch damit lief sie dem Feinde gerade in die Arme.

Aber sie behält den Kopf oben! Dreist, wie ein zünftig Bettelweib, fordert sie Almosen. Freilich kann sie mehr freche Zurufe einstecken als Heller. Ein Reiter packt sie gar am Arme und fragt: "Kennt Sie die reiche Bäckerjahnin nicht, und wo ist die zu finden?" Genau gibt sie Bescheid über Gasse und Haus, darin die Gesuchte wohnt. Dann rafft sie die paar Heller, die der Reiter ihr zuwirft, auf, und hastigen Schrittes ist sie durch die wilde Schar hindurch in Sicherheit. Im Weitereilen denkt sie mit heimlichem Lachen an die langen Gesichter, die die gierigen Räuber machen werden, wenn sie das Nest leer finden.

Nach vier schweren Jahren ward der Schwed verjagt, und des Kaisers Fahnen wehten wieder über Mainz. Da kam auch die Bäckerjahnin heim in ihr altes Haus und verkaufte ihre guten Wecken wie in früherer Zeit. An der Stelle aber, wo sie im peinlichen Verhör gestanden hatte, ließ sie zum Danke ein Kreuz errichten.

aus "Rheinlands Heldensage", Georg Fischer Verlag, Wittlich, 1930

 

 

Fortsetzung folgt

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